Streuobstwiesen

Gefährdeter Lebensraum mit hohem Nutzwert!

Streuobstwiesen sind die traditionelle Form des Obstbaus. Lockere Anpflanzungen hochstämmiger Obstbäume auf Wiesen und Weiden, früher auch häufig auf Äckern. Meist handelt es sich um Mischbestände verschiedener Obstarten und Obstsorten wie Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge, Pflaume, Ringlor und Mirabelle. In der Regel werden Streuobstwiesen weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt und nur ein- bis zweimal jährlich gemäht: Ende Juni und Ende August.

Woher kommt eigentlich der Name? – Der Name „Streuobstwiese“ kann durch die Nutzung des Grünlandes zur Heugewinnung und „Einstreu“ in Viehställe oder durch die verstreute, unregelmäßige Anpflanzung der Bäume im Gelände herrühren. Die ersten Formen des Streuobstbaus lassen sich bereits auf das 5. und 6. Jahrhundert zurückdatieren. Im 15. und 16. Jahrhundert erlebte diese Doppelnutzung des Bodens einen großen Auftrieb, damals allerdings vorwiegend mit Ackerbau in der Unterkultur.

Seinen Höhepunkt erlebte das Streuobst am Ende des 19. Jahrhunderts, als es zum kennzeichnenden Merkmal ganzer Landschaften wurde. Wie ein grüner Gürtel lagen die Streuobstbestände um die Dörfer. Sie waren Lieferant für Frischobst, das vielfach eingelagert wurde. Leicht verderbliches Obst, vor allem Frühäpfel, Birnen und Zwetschgen, wurde im Dörrofen getrocknet und war als Süßigkeit beliebt. Zu Kompott „eingeweckte“ Früchte standen ebenfalls das ganze Jahr über zur Verfügung. Aus Steinobst wurde Mus oder Marmelade hergestellt. Aus den „Mostäpfeln“ wurde der Most gewonnen. Bis zur Einführung des Mineralwassers war Most das einzige Erfrischungsgetränk. Im Sommer wurde schon zum Frühstück Most getrunken.

Dieser Obstbaumgürtel diente natürlich auch als Windschutz. Er nahm den Stürmen die Kraft und schützte so die Dörfer. Mit zunehmender Technisierung der Landwirtschaft verschwanden dann viele Bestände: Bei der Bewirtschaftung der Unterkulturen (Wiesen bzw. Äcker) behindern die Bäume den Einsatz großer Maschinen. Außerdem kann Streuobst betriebswirtschaftlich kaum mit modernen Obstplantagen konkurrieren. Diese Obstplantagen sind ertragssicherer und durch dichteren Bestand sowie niedrigere Baumformen leichter zu bewirtschaften. Leider gingen damit auch viele lokale Obstsorten verloren.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden vielfach sogar Rodungsprämien für Streuobst bezahlt, viele alte Streuobstbestände gingen dadurch verloren. Ein übriges zur Vernichtung vieler Streuobstbestände trugen Straßenbau, Baulanderschließung und Flurbereinigung bei. Doch aus der Sicht des Naturschutzes haben diese Obstplantagen gegenüber Streuobstflächen gravierende Nachteile: So ist in den Streuobstwiesen die Ressourcennutzung durch Vögel um das 13-fache, die Artenzahl der Spinnen um 85 Prozent und der Laufkäfer um 50 Prozent höher als in den Niederstammkulturen. – Streuobstwiesen leisten viele gute Dienste: Sie liefern gesundes Obst und Viehfutter, sind artenreiche Lebensräume, wertvolle Erholungslandschaften und Refugien für seltene – fast schon in Vergessenheit geratene – alte Obstsorten.

Streuobstwiesen zählen mit etwa 5.000 bis 6.000 Tier- und Pflanzenarten zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Insekten sind wegen des häufig hohen Anteils an Blütenpflanzen meist in großer Artenvielfalt vertreten. Viele hochgradig gefährdete Vogelarten wie Steinkauz, Neuntöter, Raubwürger, Rotkopfwürger, Schwarzstirnwürger, Wiedehopf, Ortolan, Wendehals, Grün- und Grauspecht, welche die Streuobstbestände als Brut- und Nahrungshabitat nutzen, zählten und zählen zu den Charakterarten dieses Lebensraumes. Die enge Verzahnung von Brut- und Jagdgebiet ist für viele Vogelarten entscheidend, weil sie hier, in Nachbarschaft zum Nest, ein ausreichend großes Futterangebot zur Jungenaufzucht vorfinden. In Baumhöhlen und „Totholz“ finden auch bedrohte Säugetierarten wie Fledermäuse – Abendsegler, Bechstein- und Fransenfledermaus – oder Bilche (Garten- und Siebenschläfer) Quartier.

Das Totholz solcher Bäume ist aber alles andere als tot. Denn diese Bäume sind ein wichtiger Lebensraum für eine große Zahl von spezialisierten Insekten und Pilzen. So sind 70 Prozent aller Käferarten als Larve auf Totholz zur Ernährung angewiesen.

Quelle: Landesbund für Vogelschutz – Bernhard Neckermann – mit freundlicher Genehmigung.